Wer Ohren hat, der höre

Leserinbrief publiziert im „aufbruch“ Nr. 186 2011, S. 47

Die Analyse von John Allen, dass gerade im Süden innerkirchliche Reformthemen wie Zölibat oder Frauenpriestertum angesichts existentieller Herausforderungen wie Hunger, Armut und Krieg in den Hintergrund rückten, mag insofern zutreffen, als die kirchliche Hierarchie in den Kirchen des Weltsüden die Vertreter einer Theologie der Befreiung systematisch massregeln und deren Einfluss aktiv unterbinden. Wie der Rezensent Hartmut Meesmann bin ich der Ansicht und weiss es aus eigener Anschauung aus verschiedenen Ländern Lateinamerikas, dass es dort, gerade auch unter Ordensleuten, Stimmen gibt, die eine Zulassung der Frauen zu den Ämtern als unabdingbar dafür sehen, damit auch die Kirche diesen Herausforderungen in adäquater Art und Weise begegnen kann. Denn immer mehr setzt sich international die Erkenntnis durch, dass Frauen bei regionalen, nationalen und globalen Entwicklungsprozessen eine entscheidende Rolle spielen und dass es bei dieser Konstellation „Frauen und Entwicklung“ um weit mehr geht als im vergleichsweise engen Bereich von Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit. Eine Welt ist ohne die Beiträge von Frauen nicht denkbar: Das hat dieses Jahr auch das Nobelpreiskommitee honoriert, indem es den diesjährigen Friedensnobelpreis drei Frauen verliehen hat, die alle ihren Beitrag leisten zu Strategien gewaltfreier Konfliktlösung, Demokratie und Menschenrechten in ihren Ländern. Frauen treten ein für demokratische Strukturen und Menschenrechte; sie sind Friedensstifterinnen in Konfliktgebieten; und sie entwickeln Modelle des Wirtschaftens, die anders als neoklassische Wirtschaftstheorien auch jene Tätigkeiten einbeziehen, bei denen Menschen für andere sorgen. "Die Stärke von Frauen, ihr Fleiss, ihre Weisheit sind der grösste noch unerschlossene Schatz der Menschheit."  sagte unlängst Michelle Bachelet, Generaldirektorin von UN Women. Wer Ohren hat, der höre! So sollte eine Kirche, die gesellschaftspolitisch relevant sein will, diesen Schatz auch heben. Das scheint der neue Bischof von Basel nicht verstehen zu wollen: So sagte Felix Gmür, der neue Bischof des Bistums Basel in einem Interview zu seinem Amtsantritt, die Frauenordination sei eine weltkirchliche Frage. Die Kirche habe in den "verschiedenen Kontinenten verschiedene Geschwindigkeiten". Er sei in Afrika gewesen und habe festgestellt, dass das Thema dort "nicht auf der Tagesordnung stehe und es nicht die Zeit sei, den Ländern des Südens unsere Themen aufzudrängen." Die Zeit der Kolonialisierung sei vorbei. "Es muss alles von unten kommen, damit es richtig ankommen kann". Kommt halt darauf immer darauf an, mit wem man spricht und wen man hören will. So scheint es auch in die Policy der Schweizerischen Bischofskonferenz allgemein zu passen, einen Dialog mit dem Schiismus im Iran in Gang zu setzen; wohl weil "die theologischen Probleme im heutigen Iran auffallend ähnlich wie in der römisch-katholischen sind", wie Gotthard Fuchs im Interview mit Thomas Setterich gesteht. Wie anders kann man es sich erklären, dass die Arbeitsgruppe Islam der Bischofskonferenz Anfang Januar dieses Jahres in den Iran gereist ist, obwohl der Schiismus für die Schweiz keine grosse Bedeutung hat, stammen doch die allermeisten Muslime und Musliminnen hierzulande aus dem Balkan und stehen für einen moderaten Islam sunnitischer Prägung.

Esther Gisler Fischer, Dietlikon